In Reih‘ und Glied

Komponist: Carl Woitschach (1864–1939)

Carl Woitschach, Komponist und Kapellmeister, trug zur Verbreitung zahlreicher Märsche des Reichsbanners bei. Seine Karriere hatte der gebürtige Posener bereits in den 1880er-Jahren begonnen. Sie führte ihn offenbar in frühen Jahren ins Ausland und schließlich nach Berlin, wo er als Musikvorstand in Theatern und vermutlich auch Stummfilmkinos arbeitete. Bekanntheit erlangte Woitschach vor allem als Dirigent von Blasorchestern, mit denen er zahlreiche Schallplatten aufnahm. Die Fachpresse lobte bereits 1911, dass er „die Gelegenheitskomposition“ genauso sorgsam „wie die musikalisch wertvolle Literatur“ behandle. Andererseits monierten Musikkritiker später, dass er auch „zierliche graziöse Musik“ von Blaskapellen spielen ließ, sei „eine empfindliche Verletzung des musikalischen Geschmacks“. Dies tat seinem Erfolg aber keinen Abbruch. Er profitierte vielmehr davon, dass er sich musikalisch nicht festlegte und dem Zeitgeist anpasste.

Ab Mitte der 1920er-Jahre waren Woitschachs Orchester regelmäßig im Rundfunk zu hören und verhalfen ihm zu großer Popularität. Zum Komponieren blieb offenbar wenig Zeit. Der Marsch „In Reih‘ und Glied“ blieb seine einzige bekannte Eigenkomposition in den 1920er-Jahren. Ob Woitschach ihn für das Reichsbanner schrieb und ob er Mitglied war, ist unbekannt. Mit einem Orchester nahm er den Marsch 1924, dem Gründungsjahr des Bundes, auf. 1925 spielte seine Kapelle eine Aufnahme des „Reichsbanner-Marsches“ ein. Auch der „Schutzbund-Marsch“ sowie „Schwarz-Rot-Gold – Lied der Deutschen“ gehörten zum Repertoire seiner Orchester. Doch der Unterhaltungsmusiker bediente auch andere Milieus. Seine Kapellen spielten den „Rotgardistenmarsch“ und das „Rotfront-Marschlied“ für ein kommunistisches Publikum ebenso wie Heimatlieder und alte Militärmärsche.

Auch im Nationalsozialismus behielt Woitschach seine kommerzielle Ausrichtung bei. Hatte seine Kapelle 1927 noch beim Sommerfest des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten in Berlin gespielt, so machte er bereits 1933 gemeinsam mit dem Berliner SA-Sturm 33 „Hans Maikowski“ eine vom „Großen Blasorchester“ begleitete Schallplattenaufnahme. Als Musikdirektor bei Telefunken verantwortete er in den 1930er-Jahren zudem etwa Aufnahmen eines „Grußes an Obersalzberg“ oder eines Stückes „Heil Hitler dir“.

Im Mai 1939 starb Carl Woitschach in Berlin. Sein Sohn Paul führte Woitschachs Kapelle weiter und verlegte Stücke seines Vaters im eigenen Musikverlag, darunter auch Neuauflagen des Marsches „In Reih und Glied“ in den Jahren 1942 und 1944.

 

Neuarrangement (2024) von Sebastian Middel